Und plötzlich war alles anders
Die Einsamkeit spürt man nur, wenn es einem schlecht geht, oder besonders gut. Entweder ist keiner da, mit dem man mal reden müßte, oder niemand ist da, mit dem man eine Freude teilen kann. Wie ein Schatten legt sich die Einsamkeit über alles. Niemandem kann man sich mitteilen, Probleme bleiben, alles scheint so hoffnungslos! Du hast auch keine Lust, daran etwas zu ändern, sagst dir, es wird schon wieder. Es war ja immer so! Doch irgendwann hältst du das nicht mehr aus, diese gewaltigen Stimmungsschwankungen zu verarbeiten. Keiner ist da, der dir hilft, und zum x-ten Male mußt du alleine versuchen, da heraus zu kommen! Ein kleiner kurzer Ortswechsel tut da schon mal ganz gut. Mir boten sich im Prinzip immer zwei Möglichkeiten. Ein Kurztrip übers Wochenende nach Baden-Baden, um bei meinem Bruder und seiner Familie auf andere Gedanken zu kommen. Dort ist eine andere Welt, andere Luft – ideal zum Entspannen. Leider immer eine sehr weite Strecke und für ein kurzes Wochenende schon fast wieder zu stressig! Also entschied ich mich für Möglichkeit Nummer zwei, und die bot sich geradezu an - ein Besuch bei meinem Onkel in Halle. Ich hatte mich telefonisch angemeldet. Wir wollten in den Geburtstag meines Cousins Steffen hinein feiern. Doch in Halle angekommen, änderten sich die Pläne etwas.
„Komm wir ziehen ein bißchen los!“ sagte Steffen zu mir.

Obwohl das eigentlich das Letzte war, worauf ich Lust hatte, stimmte ich zu. Und ich sollte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, wie entscheidend dieser Abend für mein weiteres Leben sein würde! Die Situation war folgende: mein Gefühlsleben war irgendwie durcheinander geraten. Ich war überhaupt nicht mehr zufrieden mit mir. War ich bedingt durch das Ende meiner letzten Beziehung wieder alleine, wollte ich mich aber keineswegs mit diesem Zustand zufriedengeben. Aber meine Bemühungen in diese Richtung scheiterten kläglich, kratzten an meinem Ego, ließen mich schon fast wieder verzweifeln. Vielleicht habe ich auch nur den Eindruck erweckt, Angst zu haben, kein Mädel mehr abzubekommen. Dass ich mich nicht damit abfinden wollte, erschwerte manches nur noch. Ein harmloser Flirt wurde immer gleich mißverstanden! Für mich stand fest, daß alle Mädels in meiner Heimatstadt, die mir gefielen, entweder schon in festen Händen waren, oder von meiner Person keine Notiz nehmen wollten. Somit sollte die Endstation Sehnsucht in weite Ferne rücken! Nun saß ich hier bei Steffen im Trabi und wir fuhren in die Innenstadt von Halle. Zum „Aufwärmen“ sind wir in eine Studentenkneipe namens „Känguruh“, um etwas zu quatschen und ein Bierchen zu trinken. Es war urgemütlich, ließ mich den Alltag sofort vergessen. Ich konnte richtig abschalten und mal an etwas anderes denken. Das war es ja, was ich mit diesem Besuch in Halle erreichen wollte! Es kam noch besser... Steffen überlegte, wohin wir noch könnten und entschied sich für den <Turm>. Ich kannte mich mit keinem Schimmer hier aus, gab also mein Okey.
„Aber lass mich bitte nicht irgendwo alleine stehen!“ sagte ich noch scherzhaft.

Bis dahin gefiel mir der Abend ganz gut. Ich drang sozusagen in neue unbekannte Dimensionen vor. Nie zuvor dagewesenes tat sich auf. Alles war so locker, so unkompliziert. Steffen zeigte mir etwas , was ich bis dahin in dieser Form nicht kannte. Ich wusste nicht, dass man dieser Sache soviel Spaß, soviel Lebensfreude abgewinnen kann; ein völlig anderes, neues Lebensgefühl abringen kann. Und das war es, was ich zur Zeit am nötigsten hatte! Schon als wir den <Turm> betraten – wir waren etwas zu früh da – war es da, dieses Gefühl einer anderen Welt. Für Steffen war das alles so stinknormal, er hielt gleich Ausschau nach irgendwelchen bekannten Gesichtern, konnte aber keine entdecken. Also drehten wir erstmal eine Runde in diesem so urigen <Turm>. Jetzt begriff ich auch, warum alle dieses Gemäuer <Turm> nannten – es war ja auch einfach nur der Turm einer Burg, und das mitten in Halle. Steffen erklärte mir:
„Wenn du hier auf Toilette willst, dann mußt du da rein, wo „Damen“ draufsteht! Soll so ein Gag hier sein!“
Mit diesen Worten ließ er mich nun doch alleine stehen und ich hatte Gelegenheit, mich alleine etwas umzuschauen. Hinter mir nieste jemand. Im Umdrehen sagte ich noch „Gesundheit“ und war dann wie vom Blitz getroffen. Da stand „SIE“ vor mir in nur zwei Metern Entfernung. Was mir in diesem Augenblick durch den Kopf ging, kann ich nicht mehr beschreiben... Steffen kam von der Toilette wieder und ich musste ihm das gleich mitteilen. „Du – da steht sie!“
„Wer?“
„Meine Traumfrau; die Hauptdarstellerin meines Buches, so wie ich sie mir immer vorgestellt habe! Ist das nicht der Wahnsinn?“

Er konnte nicht begreifen, was in mir vorging. Ich konnte es selbst kaum fassen. Dies schien zu bestätigen, woran ich mein ganzes Leben lang geglaubt habe. Den ganzen Abend ließen meine Augen nicht mehr von ihr ab. Ich wollte nicht mehr weg! Es war ein Traum, wie sie sich zur Musik bewegte, im besonderen zu „Taindet Love“ von Soft Cell. Kurze schwarze gelockte Haare, ihr weißer Pulli wippte lässig über der schwarzen Hose. Sie hatte eine atemberaubende Figur, ein verzauberndes Lächeln! Ich war eifersüchtig auf die Blicke, die sie auf sich zog. Und wie in all den Situationen vorher hatte ich nicht den Mut, sie an zu sprechen – selbst als sie für einige Minuten direkt neben mir auf dem Stuhl saß. Irgend etwas in mir war blockiert. Seitdem quälten mich Selbstvorwürfe, doch ich hatte meine Chance gehabt und sie mal wieder nicht genutzt! Damit mußte ich mich abfinden. Ich werde dieses Mädchen wahrscheinlich nie wiedersehen, aber in mir ist die Hoffnung zurückgekehrt. Es gibt „SIE“, und das hat mich unheimlich glücklich gemacht. Den Anblick dieses zauberhaften Wesens werde ich niemals vergessen. Ich wusste nicht, wie ich Steffen danken sollte, zumal er mir an diesem Abend alles spendiert hat, da ich mal wieder keine Kohle hatte.

Dieses Erlebnis hat mir neue Kraft gegeben, alles offener und lockerer zu sehen. Vieles wird einfacher und klarer! Man kann sich nicht vorstellen, welch ungeheure Kraft daraus erwächst – man sieht die Dinge wieder mit anderen Augen. Zugegeben, so etwas gab es in dieser Art schon viele Male. Immer dachte ich, wow das ist sie, doch der letzte Kick hat immer gefehlt; es war nie vollkommen! Hier war es anders. Dass „SIE“ geniest hatte, war ein Zeichen, auch wenn ich es noch nicht deuten konnte! Plötzlich war alles anders... Das war so etwas Wunderbares, so bedeutend! Ich war so abgestumpft in meinen Gefühlen, so voller Leere! Diese Begegnung mit diesem wunderschönen Mädchen hat mir mit einem Schlag all das zurückgegeben, was verloren schien, was ich in meinem tiefsten Inneren so lange vermisst habe. Ich möchte fast sagen, dass ich dem Himmel dankbar bin für das Licht, das Licht am Ende des Tunnels. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt und ehrlich gesagt auch nicht mehr daran geglaubt! Diese Sache hat mir aber gezeigt, dass man den Glauben an eine bestimmte Sache nie verlieren darf, scheint alles auch noch so hoffnungslos. Damit beginnt eine Geschichte, die ich hier erzählen möchte. Sie wird getragen von Hoffnungen, Sehnsüchten, Wünschen und einem kleinen bißchen Liebe. Du bist geboren, um Liebe zu spüren und Liebe zu geben. Die Vergangenheit hilft einem, die Gegenwart zu erkennen und für die Zukunft zu nutzen...
Kapitel 17 >>>